Literatur wird bekanntlich aus Worten gemacht. Wortfinderisch, wortspielerisch, wortgewaltig, wortkritisch, wortkarg, wortklauberisch nimmt sich die Literatur, insbesondere die Lyrik, beim Wort, übt sich als Antwort, Schimpfwort, Stichwort, Schlagwort, Sprichwort, Unwort, entsteht in Für-, Zeit-, Haupt- oder Eigenschaftswörtern, folgt wörtlich und also auch örtlich Wortfeldern, Wortfamilien, Wortursprüngen. Orte stecken in allen Sprachen in den Worten, im Deutschen in einer besonders offensichtlichen Weise. W:orte. Was für ein wunderbarer Name für ein Literaturfestival!
Die 8. Ausgabe des internationalen Lyrikfestivals W:ORTE findet von 26. Mai bis 7. Juni mit 22 Poetinnen und Poeten, in 11 Sprachen und an 7 Orten statt. Es ist das erste stadtübergreifende Lyrikfestival Österreichs und das einzige mit eigenem Kammerorchester. Neben Innsbruck, wo das Festival 2015 von Robert Renk von 8ung Kultur und Gabriele Wild vom Literaturhaus am Inn gegründet wurde, sind die Städte Telfs, Hohenems, Wien und erstmals auch Brixen Austragungsorte.
ZeLT, das Europäisches Zentrum für Literatur und Übersetzung, freut sich sehr über diese grenzüberschreitende, neue Zusammenarbeit, diesen poetischen Austausch sozusagen und bereichert das Programm um einen Abend, an dem Gedichte in Übersetzungen geteilt werden. Vier Dichterinnen und Übersetzerinnen derselben Generation aus Albanien, Italien und Österreich tauschen sich aus, indem sie gegenseitig aus ihren Gedichten vorlesen und über ihr Schreiben sprechen.
Mit: Roberta Dapunt, Andrea Grill, Luljeta Lleshanaku und Gentiana Minga
Moderation: Alma Vallazza, Gabriele Wild
Gentiana Minga, Schriftstellerin und Journalistin, wurde 1971 in der Stadt Durrës (Albanien) geboren. Sie studierte albanische Literatur und Sprache an der Universität Tirana, wo sie auch unterrichtete und arbeitete mehrere Jahre als Bibliothekarin an der öffentlichen Bibliothek von Durrës. Seit 1997 lebt sie in Italien, publiziert Lyrik und Essays in Albanisch und Italienisch und übersetzt, u.a. Gedichte von Pier Paolo Pasolini, Norbert C. Kaser und Roberta Dapunt ins Albanische. In ihrem Schreiben erkundet sie die Brüchigkeiten von Identitäten, wie sie die Geschichten der Migration mit sich bringen und schöpft daraus thematisch und sprachlich ihr unverkennbares poetisches Universum. Zuletzt sind in Italien die Lyrikanthologien Ciao mamma, un saluto da Bolzano (Terra d’Ulivi, 2017) und der dreisprachige Band Tempi che sono/Zeiten wie diese/ Kohe qe jane (Terra d’ulivi 2021) erschienen.
Andrea Grill ist 1975 in Bad Ischl geboren und lebt als Dichterin und Schriftstellerin in Wien und Amsterdam. Sie hat Biologie, Italienisch, Spanisch und Sprachwissenschaft in Salzburg, Thessaloniki und Tirana studiert und ist promovierte Evolutionsbiologin. Ihre wissenschaftliche Forschungstätigkeit wusste sie stets mit ihrer Liebe für die Sprachen und für die Literatur zu verbinden, so hat sie über eine besondere Art von Schmetterlingen auf Sardinien promoviert und unlängst den Band Schmetterlinge in der Reihe „Naturkunden“ bei Matthes&Seitz veröffentlicht. Sie übersetzt aus mehreren europäischen Sprachen. Seit 2005 erschienen zwei Lyrikbände, sechs Romane, Erzählungen, Essays, Kinderbücher und Übersetzungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Förderpreis zum Bremer Literaturpreis (2011) und dem Anton-Wildgans-Preis (2021).
Luljeta Lleshanaku (ALB/USA). „Kraftvoll und bleibend“, schreibt The Guardian über die Gedichte der albanischen Dichterin Luljeta Lleshanaku, die zu den prägendsten Stimmen der osteuropäischen Lyrik zählt. Seit 1990 sind neun Gedichtbände erschienen. Für ihre Lyrik wurde sie u. a. 2009 mit dem Kristal-Vilenica-Preis ausgezeichnet und war Finalistin für den Griffin Poetry Prize 2019. Ihre Gedichte wurden bisher ins Englische und Deutsche übersetzt. Zuletzt erschien, in der deutschen Übersetzung von Andrea Grill, Die Stadt der Äpfel (Edition Lyrik Kabinett, 2021), die 2022 in den Lyrik-Empfehlungen zu finden war. Lleshanakus Gedichte sind von großer Unmittelbarkeit und Melancholie gezeichnet.
Roberta Dapunt, ist 1970 in Abtei/Badia (Italien) geboren, wo sie auch lebt. Seit 1993 veröffentlicht sie Gedichte in Italienisch und Ladinisch, ihrer Muttersprache. Ihre Dichtung entsteht aus der präzisen, alle Sinne umfassenden Beobachtung der unmittelbaren Umgebung, der Landschaft, den Bräuchen, den Alltäglichkeiten eines Bergdorfes und der menschlichen Kondition darin. Es sind Beschreibungen von Mikrokosmen, verwandelt in Poesie von Weltrang. In Italien erscheinen ihre Gedichte im Turiner Einaudi Verlag, in deutscher Übersetzung im Folio Verlag Wien, Bozen. Für ihren zuletzt erschienenen Gedichtband Sincope (2018, dt. 2021) erhielt sie den renommierten Premio Letterario Viareggio-Rèpaci in der Sparte Poesie. Ihre Gedichte wurden bereits mehrfach vertont, u.a. in Kompositionen von Marcello Fera und Eduard Demetz und fanden Eingang in Filmproduktionen und Theaterstücke.