Sie lässt uns um Worte ringen und macht uns zu staunenden Betrachtern. Sie wirbt uns Kommentare ab und benötigt unsere Haltung. Sie sucht unsere Aufmerksamkeit, ja sie existiert durch unsere Aufmerksamkeit: Die Gegenwart.
Doch wie „gegenwärtig“ können wir im Jetzt überhaupt sein und wie kann diese Gegenwärtigkeit beschrieben werden? Wie kann die Pluralität unserer Perspektiven auf die „Jetztzeit“ in einem einzigen Wort erfasst werden? Diese Fragen und viele mehr stellt sich Zeitworte – Parole del tempo 25/26, ein zweiteiliges Projekt, welches mit den Mitteln der Literatur das Gespräch mit der vielsprachigen Öffentlichkeit sucht.
Entlang von literarischen Texten, Lesungen, Vorträgen und einer biennal erscheinenden Publikation in deutscher und italienischer Sprache beginnt 2025 der Versuch der geteilten Zeitzeug:innenschaft, welcher im lauten Nachdenken über die gemeinsame Lebenswelt eine wertvolle Gelegenheit zur Kenntnis des Anderen findet.
Dem, mit der vielsprachigen Öffentlichkeit geführten Gespräch, geht die Suche nach dem Zeitwort der Jahre 2025/26 voraus. Gefunden wird dieses Wort, das diese – unsere – Zeit beschreibt am 1. März 2025 in ZeLTsalon:e no5 in Brixen.
ZeLT und Edizioni Alphabeta Verlag beginnen diese Auseinandersetzung als interkulturelle Handreichung in Jahren der sozialen Erschütterungen und Umbrüche, der nationalen Aufbäumungen, der sozialen Verwerfungen und der sprachlichen Verkürzungen. Südtirol als Grenzregion will Brücke zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen sein und die öffentliche Diskussion nicht nur in Südtirol-Alto Adige, sondern im gesamten italo-deutschen Sprachraum anregen.
Der Ursprung des Projekts und die Neuauflage
In den Jahren 2019 – 2021 entwickelte Edizioni Alphabeta Verlag das Projekt „Zeitworte/Parole del tempo“, ein zweisprachiges Publikationsprojekt, das darauf abzielte, eine narrative Landkarte der Gegenwart durch die Kunst des Erzählens zu zeichnen. Ausgangspunkt dieser Publikation war die Grenze – geografisch, sprachlich, kulturell – als privilegierter Raum des Dialogs. Fünf italienische und fünf deutschsprachige Autoren haben sich in zwei verschiedenen Ausgaben mit einem Schlüsselthema der Gegenwart beschäftigt, das exemplarisch durch ein Wort dargestellt wurde. Es entstanden ein Dialog in Buchform: Zwei Sammlungen unveröffentlichter Erzählungen – Risentimento/Ressentiment und Indifferenza/Gleichgültigkeit –, gefolgt von den jeweiligen Übersetzungen ins Deutsche oder Italienische.
Bibliotheken, Schulen und Werkstätten
Mit der Neukonzeption des Projektes soll dem Publikationsprojekt ein stark diskursiver Schwerpunkt hinzugefügt werden.
Ausgangspunkt ist das von den Autor:innen und Übersetzer:innen gefundene Zeitwort. In Folge entstehen vier literarische Texte, welche auf unterschiedliche künstlerische Weise eine Gegenwartsbeschreibung wagen. Die Texte werden in die jeweils andere Sprache, also italienisch oder deutsch, übersetzt. In Folge wird das öffentliche Gespräch in Form von Lesungen, Vorträgen und Diskussionen gesucht. Ziel ist es, möglichst viele Bibliotheken, Kulturpartner, große und kleine Teilöffentlichkeiten zu erreichen.
Um die Auseinandersetzung mit der Gegenwart auszudehnen werden Schulwerkstätten angeboten.
Autor:innen: Kurt Lanthaler, Sebastiano Mondadori, Elvira Mujčić, Marlene Streeruwitz
Übersetzer:innen: Donatella Trevisan, Alma Vallazza
Kuratie: Maria Christina Hilber und Stefano Zangrando
umgesetzt von: ZeLT. Europäisches Zentrum für Literatur und Übersetzung und Edizioni Alphabeta Verlag
Kurt Lanthaler
geb. 1960 in Bulsan/Bozen/Bolzano, lebt seit 1985 als freischaffender Schriftsteller in Berlin. Romane, Kurzprosa, Lyrik bei den Verlagen Haymon, Diogenes, Alphabeta und Folio. Übersetzte Romane von Peppe Lanzetta und Roberto Alajmo ins Deutsche. Mitglied der GAV Grazer Autorenversammlung und Gründungsmitglied der SAAV.
Zuletzt erschienen: „Sete di seta“, Handdruck der Offizin S. des Siegfried Höllrigl in der Reihe „101 Gedicht Plakate“, 2024 „Vorabbericht in Sachen der Zona Cesarini“,Roman, Folio Verlag 2024. In der Übertragung von Stefano Zangrando unter dem Titel „Zona Cesarini“ im Verlag Alphabeta editrice, 2025 „Persen/Pergine“ (AT, Roman) soll 2026/27 erscheinen.
Sebastiano Mondadori
Er wurde 1970 in Mailand geboren und lebt seit vielen Jahren in der Toskana. Er hat Philosophie an der Universität Pavia studiert und 2006 in Lucca die Schreibschule Barnabooth gegründet, die er bis 2021 leitete. Er hat an der Fakultät für Tourismuswissenschaften (Campus Lucca/Universität Pisa) unterrichtet und hält Seminare und Vorträge über kreatives Schreiben an verschiedenen Universitäten. Er war als Ghostwriter Berater und Programmleiter im Verlagswesen tätig (Bruno Mondadori, IUSS Pavia); zudem arbeitete er in London für Orion Publishing. Derzeit leitet er die neue Reihe der Bignami-Klassiker. Er hat mit Sette, Corriere della Sera, Io Donna, Nuovi Argomenti und l’Unità zusammengearbeitet. Im Mai 2025 erscheint sein neuer Roman „Di cosa siamo capaci „(La Nave di Teseo), und im Dezember seine neue Gedichtsammlung „Tutti i nostri alberghi“ (La Nave di Teseo).
Elvira Mujčić
1980 in Jugoslawien geboren, heute ist sie bosnische Staatsbürgerin und eingebürgerte Italienerin. Sie hat einen Abschluss in Fremdsprachen und Literatur und arbeitet als Schriftstellerin und literarische Übersetzerin. Zu ihren letzten Veröffentlichungen gehören „Dieci prugne ai fascisti“ (Elliot 2016), „Consigli per essere un bravo immigrato“ (Elliot 2019), „Da grande voglio imitare Giano in der Zeitschrift Sotto il Vulcano“ (Feltrinelli 2022) und „La buona condotta „(Crocetti/Feltrinelli 2023). Sie übersetzt Werke bekannter Autoren und Autorinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien, darunter Slavenka Drakulić, Faruk Šehić und Robert Perišić. Für Rai Radio3 moderiert sie Pagina3 Internazionale. An der Scuola Holden ist sie Mentorin für Übersetzungen im Rahmen des Projekts CELA (Connecting Emerging Literary Artists).
Marlene Streeruwitz
Marlene Streeruwitz, in Baden bei Wien geboren, studierte Slawistik und Kunstgeschichte und begann als Regisseurin und Autorin von Theaterstücken und Hörspielen. Für ihre Romane erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, darunter zuletzt den Bremer Literaturpreis und den Preis der Literaturhäuser. Ihr Roman „Die Schmerzmacherin.“ stand 2011 auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis. Zuletzt erschienen der Roman „Flammenwand.“ (Longlist Deutscher Buchpreis 2019), die Breitbach-Poetikvorlesung „Geschlecht. Zahl. Fall.“(2021), der Roman „Tage im Mai.“ (2023) sowie die Bände „Handbuch für die Liebe.“ und „Handbuch gegen den Krieg.“ (2024).



